Titel |
Grand Tour der Mönche |
Jahr |
2014 |
Kunde |
Stiftsarchiv St.Gallen
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Kurator |
Peter Erhart und Jakob Kuratli Hüeblin |
Ausstellungsdauer |
4. September bis 30. November 2014 |
Zusammenarbeit |
Alberto Alessi, Zürich |
Der erste Besuch des klimatisierten „Tresorraums“ im Stiftsarchiv St. Gallen mit dem Stiftsarchivar Peter Erhart war ein ganz besonderer Augenblick. Wir trafen auf ein faszinierendes Ordnungssystem mit Schränken, Laden, Schatullen und Mappen für kunstvoll gefertigte Karten und Schriftstücke, die nur mit Handschuhen angefasst werden durften. Dazu kamen Bücher in wandhohen Regalen – mit Respekt nahmen wir die handschriftlichen Originale und ersten Druckerzeugnisse in die Hand. Die Buchformate mittelgroß, freigespielt von heutigen Standardisierungen, in Einbänden mit fantastischen Materialien aus Kartonagen, Leinen und Leder.
Die fadengehefteten, handgebundenen Bücher ließen sich gut öffnen und vermittelten in individuellen Bindedetails hohe Funktionalität. Überrascht waren wir über die außergewöhnliche Form der Satzspiegel und Buchumbrüche. Oft waren die Seiten in der vertikalen Mitte geteilt, die Außenspalten leer oder nur marginal benutzt und die eng zum Bund liegenden Textspalten randlos von oben bis unten beschrieben, mit präzisen Kalligrafien in kleinen Schriftgrößen, mit bewegtem und doch rhythmischem Duktus. Der Archivar erklärte uns diese „halbbrüchige“ Gestaltung damit, dass Platz gelassen werden musste für nachträgliche Eintragungen, Kommentare und Ergänzungen. Bald zeigte uns Peter Erhart die von ihm gehobenen Fundstücke, um die es eigentlich ging: vier originale Tagebücher reisender Mönche. Die beiden Kuratoren, Peter Erhart und Jakob Kuratli Hüeblin, wollten diese seltenen Dokumente benediktinischer Reisekultur erstmals der Öffentlichkeit präsentieren. Sie planten eine Ausstellung im Kulturraum des Stiftsarchivs, einen Ausstellungskatalog sowie wissenschaftliche Publikationen mit Übertragung der lateinischen Texte ins Deutsche und Italienische. Es ging bei diesen Tagebüchern um Reisen in den Süden, so wie sie damals für Adelige, Musiker und Literaten üblich waren, mit religiösem Hintergrund und entsprechenden Reisezielen: An erster Stelle stand Rom als spirituelle Mitte, dann ging es weiter nach Neapel, das als schönste Stadt der damaligen Zeit galt.
*Reinhard Gassner*
„Vedi Napoli e poi muori (Neapel sehen und sterben) – Die Grand Tour der Mönche“, so der Titel des Projekts, der auf das Reisen und Leben, das Weltliche und das Geistliche anspielt. Die Kollegen von TGG Hafen Senn Stieger aus St. Gallen hatten schon mehrfach Ausstellungen für das Stiftsarchiv gemacht und zeichneten verantwortlich für das begleitende Katalogkonzept. Wir entwickelten gemeinsam mit den Kuratoren das Briefing für die Gestaltungsarbeiten bis hin zu skizzenhaften Diskussionsvarianten. Die Zusammenarbeit mit Dominik Hafen war von konstruktivem Geiste geprägt. Aus ökonomischen Gründen konzentrierte sich TGG im weiteren Verlauf auf die Katalogarbeit, während wir die Ausstellungsgestaltung vorbereiteten. In ersten Entwurfsansätzen spielten wir mit Themen wie „Reisen“ und „Wege“. Vitrinen und Exponate schwebten in verschiedenen Höhen durch den Ausstellungsraum. Bei näherer Befassung wurde jedoch klar, dass wir damit das Momentum der Reisekultur der Mönche nur oberflächlich trafen. Dieses lag tiefer. Es ging um die Intentionen und Aufträge, die mit den Reisen verbunden waren. Die Mönche hatten seitens der Äbte klare Instruktionen.
Sie verstanden ihre langwierigen, oft mühsamen Wege auch als Pilgerreisen. Diese Überlegungen brachten uns auf den Gedanken, mit gedachten und realen Räumen zu arbeiten. Wir sprachen von den Spannungsfeldern des klösterlichen und des weltlichen Lebens, des Steten und des Unsteten. Aufgabe war, das Thema selbst und die wertvollen Ausstellungsstücke dazu zu strukturieren und szenografisch in einem Raum mit ca. 600 Quadratmetern zu präsentieren. Die Kuratoren griffen unsere Idee von begehbaren Boxen auf und belegten diese mit Themen und Qualitäten der Reisen. Sie erkannten sofort, dass die Ausstellung durch diese Struktur gut erschließbar war und sich damit auch das Dilemma zwischen geografisch oder chronologisch orientierter Abfolge auflöste. Sie benannten die vier Boxen mit „Peregrinatio“ (Wallfahrt), „Instructio“ (Dienstreise), „Recreatio“ (Erholung) und „Memoribilia“ (Erinnerungsstücke).
Reinhard Gassner