Titel Statement Leitsystem Bus
Jahr 2012
Dornbirn befreite sich bereits 1991 vom alten Postbus, entwickelte einen »Luxus-Linienbus« als Insellösung. Der Entwurf war aber von Anfang an weiter gedacht und wurde letztlich in ganz Vorarlberg umgesetzt. Es war Anfang 1991, als mich Markus Aberer, Stadtplaner der Stadt Dornbirn anfragte, ob ich nicht an einem geladenen Wettbewerbsverfahren zur Gestaltung des Erscheinungsbildes für einen neuen »Stadtbus Dornbirn« teilnehmen wolle. Nach kurzer Bedenkzeit musste ich aus terminlichen Gründen absagen, sosehr mich die Aufgabe interessiert hätte. Es ging um einen umfassenden Designansatz – Bus, Haltestellen, Leitsystem, Corporate Design und Kommunikationsdesign. Dornbirn wurde mit der Problematik eines stetig wachsenden Individualverkehrs konfrontiert. Als öffentlicher Nahverkehr war großräumigen Ortsgebiet der Postbus die einzige Alternative. Dieser war für viele überhaupt kein Thema, höchstens ein notwendiges Übel. Die Fahrzeuge im gelb-orangen Postbusdesign, die allgegenwärtige »HKelle«, die Haltestellen, die Fahrpläne ... alles wirkte verstaubt und wenig attraktiv. Die Stadtplanung nahm die Sache in die Hand, befasste sich mit der Betreibersituationen, mit neuen Technologien, mit aktuellen Produktkriterien eines öffentlichen Nahverkehrs und mit den Chancen und Bedürfnissen vor Ort. Im Vorfeld des Wettbewerbs wurde sogar ein Studentenwettbewerb mit der Schule für Gestaltung, Zürich durchgeführt. Die Stadt war also gut für die Auslobung eines professionellen Wettbewerbs vorbereitet. Mit großem Interesse habe ich dann Ende 1991 die Realisierung des neuen »Stadtbus Dornbirn« verfolgt. Wettbewerbsgewinner und Auftragnehmer war ein Team mit zwei erfahrenen Gestaltern aus Vorarlberg: Grafiker Reinhold Luger und Architekt Wolfgang Ritsch. Der neue Bus präsentierte sich als »Luxus-Linienbus«. Das hatte nichts mehr zu tun mit dem alten Postbus, so wie wir ihn kannten, auch nicht mit einem Reisebus in üblichem Hurra-Kitsch. Das war eher wie ein Privatauto: eine moderne Karosserie – die Lackierung im kräftigen Rot, unten und oben Anthrazit gefasst, große dunkle Fensterbänder, eine zurückhaltende Beschriftung, im Inneren eleganten Grautöne, eine funktioneller Möblierung mit schönen Stoffen und Belägen. Das Spektakuläre aber war das Chassis des sich zum Fahrgast leicht senkenden, sogenannten Niederflurbusses mit zwei Ein- und Ausstiegstüren. So was kannte man höchstens als Flughafenbusse. In Verbindung mit dem leicht erhöhten Gehsteig ist ein barrierefreier Einstieg möglich und das war vor 20 Jahren für einen öffentlichen Bus, zumindest in unserer Region komplett neu. Die Haltestelle überraschte mit modernen Wartehäuschen in einer transparente Stahl-Glas-Konstruktion, mit dezenter Beleuchtung und Möblierung. Auffallend waren auch die strengen, schlanken, etwa zwei Meter hohen Haltestellenhinweis-Säulen. Das visuelle Erscheinungsbild wurde bestimmt durch die strenge typografischen Gestaltung in der serifenlosen Neuen Helvetica. Die Anwendung war konsequent und – das können wir heute besser beurteilen – zukunftsfähig. Busse, Haltestellen und Kommunikationsmittel bekannten sich zur guten zeitgemäßen Form. Dornbirn hatte ab sofort ein eigenes Linienbus-System für den öffentlichen Nahverkehr, einen funktionellen Fahrplan, einen Busbahnhof und ein enges Netz von Haltestellen auf hohem städtebaulichem Niveau. Werbung und Benutzerführung basierte auf moderner visueller Kommunikation. Das »Stadtbus Dornbirn« prägte durch zeitliche und räumliche Präsenz das Bild von Dornbirn – die Stadt wurde zur Stadt. Es handelt sich nicht einfach um eine konfektionierte Mobiltätsware sondern um Image und Identität, um ein prägnantes architektonisches und städtbauliches Muster. Der neue Bus in Dornbirn war in ganz Vorarlberg ein Thema. Neben der Verbesserung des Angebots mit modernen Fahrzeugen und nutzungsfreundlicher Vertaktung wurden nun Bus und Haltestellen als ein imageförderndes und identitätsstiftendes Element wahrgenommen. Kein Wunder: die an frequenzstarken Lagen platzierten Haltestellen und die auf den Hauptverkehrsachsen kursierenden Busse bieten unglaublich hohe Kontaktchancen im öffentlichem Raum. Nicht umsonst werden sie so oft als Werbeträger missbraucht. Nicht aber in Dornbirn. Die neuen Busse und Haltenstellen waren werbebefrei, beziehungsweise warben für sich selbst. Sie sagten: wir sind Dornbirn, eine Stadt mit einem eigenen modernen Linienbus-System, das ist »Unser Bus«. Diese durch seine öffentliche Präsenz immer wiederkehrende Botschaft stützte das Gefühl für Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit für die gesamte Stadt. Das alles war im Wettbewerb der Vorarlberger Kleinstädte ein deutliches Plus. Und diese arbeiteten ihrerseits bereits an eigenen Konzepten: 1992 beauftragte die Stadt Feldkirch unser Atelier mit der Gestaltung eines Erscheinungsbildes für den Stadtbus Feldkirch. Die Aufgabe ging durchaus auch in Richtung Städtemarketing und war als Antwort auf den Konkurrenzdruck aus Dornbirn gedacht. Wir entwickelten Gestaltungslösungen mit starkem Feldkirch-Bezug in Farbe und Typografie. Etwa zur gleichen Zeit erhielten wir eine Anfrage zur Gestaltung des Erscheinungsbildes für einen neuen »Landbus Vorderland«. Das hat mich dann doch misstrauisch gemacht. Und, meine Erkundigungen bestätigten, dass gleichzeitig mehrere Städte und Gemeindeverbände dabei waren, eigene Bussysteme zu entwickeln und Designer zu beauftragen weitere »Insellösungen« zu gestalten. Ich habe den damaligen Landesstadthalter und späteren Landeshauptmann Sausgruber angerufen und bin offene Türen bei ihm eingerannt. Natürlich handle es sich um Initiativen der Gemeinden, die aber vernetzt und mittelfristig in einem landesweiten Verkehrsverbund verknüpft werden sollten. Die Notwendigkeit für ein einheitliches Erscheinungsbild wurde meiner Meinung nach anfänglich übersehen, wäre aber auch ohne meine Intervention sicher bald erkannt worden. Die Frage, was mit den bereits gut eingeführten Erscheinungsbild des Stadtbusses Dornbirn geschehen solle war für mich daher schnell beantwortet. Ich schlug vor, alle gestalterischen Einzelansätze, natürlich auch unsere bereits zur Umsetzung freigegebenen Gestaltungslösungen, zurückzulegen und aus dem Dornbirner Konzept ein landesweites Erscheinungsbild zu generieren. Die Designlösung in Dornbirn hatte allemal das Potential für eine überrregionale Werknutzung. Was ich erst später erfuhr: Die Gestalter hatten eine landesweite Nutzung des Systems von Anfang an mitgedacht. Die Verantwortichen reagierten positiv und schnell. Das Land erwarb die Rechte der architektonischen Elemente von Wolfgang Ritsch. Nolde Luger mutierte die Logotype mit Namensvarianten für andere Städte und Regionen und differenzierte die verschiedenen Anwendungen durch individuelle Farbgebung. So hat Bludenz ein Grün, Feldkirch ein sattes Gelb, Dornbirn das kräftige Rot und Bregenz ein Blau als Basisfarben für Buslackierung und Leitsysteme. Diese Farben sind meist auch tragende Corporate-Designelemente der jeweiligen Stadt. Für die Regionen dazwischen gab es ein Zitronengelb als einheitliche Farbe und die Namensbeifügung »Landbus« anstelle »Stadtbus«. Die Abtastbarkeit einer guten Form hat nichts mit Abgehobenheit zu tun. Sie ist da als etwas Erfahrbares und Annehmbares mit menschlichem Maß. Im Stadt- und Landbussystem wurde sie mit Konsequenz verwirklicht. Die modernen Linienbusse und die Haltestellen mit den Informations-Stelen gehörten bald zum vertrauten Bild im Lande. Die Haltestellen funktionieren solitär in der Landschaft genauso gut wie im innerstädtischen Bereichen. Die Benutzerführung erwies sich durch das Farbspiel der aufeinander abgestimmten Fahrzeuge, Stelen und Fahrplangrafik als äußerst effizient. Die beträchtliche Landesförderung für den Busbetrieb ist gebunden an die konsequente Einhaltung der Vorgaben des Erscheinungsbildes durch die einzelnen kommunalen Busbetreiber. Dies garantiert bis heute Einheitlichkeit und Durchgängigkeit. Leider gilt das nicht für die Wartehäuschen. Und so trifft man mancherorts auf die wenig erfreulichen Haltestellenbauten von Plakatunternehmern, die den Gemeinden sämtliche Kosten der Errichtung und Wartung der Haltestellen mit dem Substitut der Einnahmen durch frei vermietete Werbeflächen ersparen. Den Verantwortlichen in Feldkirch und im Vorderland habe ich vorgerechnet, was die Miete von Plakatflächen oder die Anzeigenschaltung zu üblichen Tarifen kosten würde im Gegenwert zur eigenen Nutzung der Busse und Haltestellen als Werbeträger. Ein weiteres wichtiges Argument gegen solche »Sonderlösungen« ist die Werteverletzung durch Fremdwerbung an kommunalen Fahrzeugen und Warteorten und die verpatzten ortsbildlichen Chance durch eine systemfremde Architektur. Das landesweite Bus-System blieb weitgehend frei von Fremdwerbung. Bis heute. Die teilweise völlig unerwarteten Steigerung der Fahrgastfrequenzen – in Dornbirn beispielsweise von 2,6 Mil. im Jahre 1991 auf 5,2 Mil. Fahrgäste 2011, also um 100% – sind natürlich nicht einzig der guten Form geschuldet. Da gibt es sicher weitere wesentliche Faktoren, die ich weniger als visueller Gestalter, vielmehr als Konsument beobachten kann: die Bündelung in einen Vorarlberger Tarif- und Verkehrsverbund, verkehrsplanerische Busbevorzugung sowie das laufend verbesserte und sich selbst kommunizierende Angebot. Alleine in Dornbirn, einer Stadt mit 46.000 Einwohnern, sind heute 20 Linienbusse, hauptsächlich im 1/4 Std.-Takt in Betrieb und frequentieren dabei 240 Haltestellen – 42 davon mit Wartehäuschen. Der Stadtbus Dornbirn war entscheidender Impulsgeber des landesweiten Linienbus-Systems. Die ursprünglich lokale Angebots- und Designentwicklung konnte dank der Weitsicht der Verantwortlichen und zum Vorteil aller überregional genutzt und weiterentwickelt werden. Land und Gemeinden bekamen dadurch ein modernes öffentliches Verkehrsangebot und gleichzeitig einen starken, verbindenden Image-Baustein. Reinhard Gassner
Titel Buch vs. E-Books
Jahr 2000
Das Buch ist da und bleibt da. Das E-Book schalte ich an und ab. Ohne Kunstlicht sehe ich beim E-Book Schwarz. Beim Buch habe ich Vielgestalt und individualität. Der Umfang liegt in meinen Händen. Der Inhalt eröffnet sich durch das Blättern. Ich höre und fühle das Papier. Beim E-Book habe ich mehr als zu Lesen: Bewegtbild, Ton, Verlinkung, Interaktion, Such- und Speichermechanismen ... Noch leidet das E-Book unter Uniformität und schlechter Schriftqualität. Es wird sich daher bald vom engen Rahmen der E-Book-Reader befreien und die Vermarktung auf allen möglichen Ausgabemedien einschließen. Dann eröffnet sich ein völlig neues Gestaltungsfeld mit neuen gestalterischen Materialien und Ressourcen. E-Books werden heute oft parallel zur klassischen Buchproduktion mitgemacht und mit Autoren, Hgb. und Gestaltern in Auftragsvereinbarungen mitverhandelt. Moderne Verlagskonzepte verkaufen mit dem Buch einen E-Book-Code gleich mit. Viele Leserinnen wollen beides, das Buch in der Hand und das E-Book zum Nachschlagen oder irgendwo Weiterlesen verfügbar. In diesem Fall arbeiten die Medien zusammen und nicht gegeneinander. Die gute Buchgestaltung beinhaltete Angemessenheit, Sorgfalt, Ausdruckskraft und Funktionalität. Sie ist eine verlegerische Kategorie und hilft das Buch zu verkaufen. Das Interesse an guter Gestaltung ist nach wie vor ungebrochen. In den meisten Fällen werden wir ganz früh, noch bevor der Text steht, in die Konzeption einbezogen. Dabei geht es meist um inhaltliche und gestalterische, aber auch generelle Fragen wie Herausgeberschaft, Verlagsrecht und Medienstrategie. Wir unterstützen die Entscheidungsprozesse durch prototypisierte Vorkonzepte und unsere Erfahrung in der Kommunikationsarbeit. Ein gutes Buch ist, wenn Gestaltung, Ausstattung und Fertigung eine Partnerschaft mit dem Inhalt eingehen, ihn bereichern und in seiner Lesbarkeit gesamtheitlich unterstützen. Ein schlechtes Buch ist, wenn das nicht zutrifft. Dabei gibt es ein Zuwenig und ein Zuviel. Manchmal wird mit äußerem Aufwand und Effekthascherei fehlendes inhaltliches Interesse und Verständnis wettgemacht. Dann kann ein »schönes Buch« ein »schlechtes Buch« sein. Reinhard Gassner
Titel Jahreswechsel
Jahr 1980
Bereits zum Jahreswechsel 1980 startete das Atelier Gassner eine Edition zum Thema Schriftentwicklung und Alphabete. Die oft an deren Originalschauplätzen recherchierten Spuren der Schrift wurden jeweils in begrenzter Auflage und unterschiedlichen Darstellungen als Jahresgaben editiert. Gassner Redolfi KG befasst sich ab 2010 in dieser Edition im erweiterten Sinne mit Schriften und ihrer Bildbedeutung. 1980/81 Mesopotamien – Keilschrift der Sumerer, Tontafel 1981/82 Ägypten – Hieroglyphen, Siebdruck, aquarelliert 1982/83 Syrien – Alphabet der Phönizier, Goldfolienprägung 1983/84 Südamerkika – Maya-Alphabet, Jaguarkopf als Gipsrelief 1984/85 Tibet – Original Kalligraphie von Geshe Thubten 1985/86 China – Original Kalligraphie 1986/87 Deutschland – Gutenbergs Lettern, Holzziffern, Buchdruck 1987/88 Armenien – Jahreszahl als Keramik 1988/89 Persien – Pehlevi Schrift, Jahresgruß und Zeichnungen iranischer Kinder 1989/90 Zentralamerika – Codex Zouche Nuttal – Mixteken-Schrift 1990/91 Armenien Alphabet von Franz Gassner, Prägung 1991/92 Japan – Original Kalligraphie von Mitsue Kono, Schriftrolle 1992/93 Griechenland – Alpahbet ODOS, Emailtafel und Leporello 1993/94 Afrika – Schrift der Tuareg, Nassprägung in handgeschöpftem Bütten 1994/95 Nordgermanien – Wikinger-Runen, Buchenstab und Leporello 1995/96 Slowakei – Kyrillisches Alphabet, Postkarten im Booklet 1996/97 Sinai – Arabisches Alphabet, Nivea, »Die blaue Dose vom Roten Meer...« 1997/98 Amerika – Morse-Alphabet, Morsestreifen 1998/99 China – Pa-kwa-Schrift, I-Ging, Faltposter auf Dünndruckpapier 1999/00 Abendland – ©, Jesus ohne Mittelscheitel, Poster 2000/01 England – SMS »WOT R U TRYNG 2 SAY ?« TypoGraphic 56, Buch-/Offsetdruck 2001/02 Arabien – Die Null, al-sifr, das höchste Nichts, Prägung 2002/03 Arabien Mohammed Jesus – Poster zu Beginn des Irakkrieges 2003/04 Türkei – Türkisches Alphabet, Poster mit einem Gedicht von Kundeyt Şurdum 2004/05 Armenien – Georgisches/Armenisches Alphabet im Zeitungsformat 2005/06 Syrien – Das erste Alphabet, Fotoposter, Omayyadenmoschee Damaskus 2006/07 Amerika – »Segoe« von Windows Vista, E-Mail 2007/08 Naher Osten, Kaukasus – »Du bist keine Fremde hier in Kalimera«, Buch über 7 Reisen 2008/09 Israel – »Schalom« 2009/10 Tokyo – keep on swinging... 2010/11 GASSNER REDOLFI KG – Portrait mit Satzzeichen